Geschäftsbericht 2019
Berichtsteil

Strategie- und Strukturweiterentwicklung der kantonalen Gesundheitsversorgung – «Warten auf Godot?»

Aktuell erleben wir national und international einen raschen Wandel im Gesundheitswesen. Zentrale Treiber sind vor allem fachliche Entwicklungen, medizinischer Fortschritt und betriebswirtschaftliche Einflussfaktoren, nebst den strukturellen und politischen Auflagen. Diese begründen auch im Kanton St.Gallen den dringenden Handlungsbedarf für eine umfassende Neuorientierung der kantonalen Gesundheitsversorgung.

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Prof. Dr. med. em.
Felix H. Sennhauser

Verwaltungsratspräsident

Das abgelaufene Kalenderjahr war entsprechend stark geprägt durch die zeitgerechte Abschlussarbeit am Detailkonzept. Mit beeindruckendem Engagement und hoher Professionalität haben Kader, Geschäftsleitungen und Verwaltungsrat wie geplant im Juli 2019 das Detailkonzept erfolgreich abgeschlossen. Sie haben nach sorgfältigen und faktenbasierten Analysen sowie fundierter Prüfung verschiedener Alternativszenarien folgendes Fazit festgehalten:

  • Optimale Behandlungsqualität wird sichergestellt durch ein abgestuftes Versorgungsmodell mit einer 4-Standort-Strategie: Zentrumsspital in St.Gallen und drei Mehrspartenspitäler in Grabs, Uznach und Wil. Zusätzlich Bereitstellung von fünf Gesundheitszentren in Abstimmung mit der niedergelassenen Ärzteschaft.
  • Weiterführende Leistungskonzentration der stationären Angebote und verstärkte (inter-)kantonale Netzwerkbildungen.
  • Mit zusätzlichen Betriebsoptimierungen und erhöhten Beiträgen für gemeinwirtschaftliche Leistungen kann langfristig das strukturelle Defizit beseitigt und die EBITDA-Marge von 10% erreicht werden.
  • Markante Steigerung der betrieblichen Profitabilität durch die 4-Standort-Strategie und Verbesserung der mittelfristigen Eigenkapitalquote werden erreicht. Damit wird die Entlastung der Kantonsfinanzen möglich.
  • Unverändert bleiben der bisherige Rettungsdienst und die Weiterführung des Notfalldienstes durch die niedergelassene Ärzteschaft.

«Es wird auch in diesem Kontext noch verschiedentlich Kritiker und Zweifler geben in der Beurteilung und Einschätzung der empfohlenen Strategie- und Strukturweiterentwicklung. Ich persönlich bin aber zuversichtlich, dass auch die Politik die Zeichen der Zeit und damit den dringlichen Handlungsbedarf erkennen wird.» 

Prof. Dr. med. em. Felix H. Sennhauser

Der Lenkungsausschuss hat das überzeugende Detailkonzept entgegengenommen und nur leicht modifiziert: Die ambulanten Zentren wurden mit Notfalldienstleistungen ergänzt zu Gesundheits- und Notfallzentren. Die danach vom Lenkungsausschuss erarbeitete Botschaft «4plus5»-Strategie wurde vom Gesamtregierungsrat im Herbst verabschiedet und für eine umfassende Vernehmlassung bis Ende 2019 freigegeben.

Im Theaterstück «Warten auf Godot» von Samuel Beckett warten zwei Männer auf eine dritte Person – auf Godot. Ort und Zeit für sein Kommen sind unbestimmt. Das Stück von Beckett wurde ein epochaler Welterfolg – trotz initialem Zweifel der Theater-Kritiker. Beckett erhielt 1969 gar den Nobelpreis für Literatur. Auf die Frage, wer Godot sei, antwortete Beckett: «Wenn ich es wüsste, würde ich es sagen».

Die Metapher «Warten auf Godot?» passt somit sehr gut zur Ende 2019 abgelaufenen Vernehmlassung der regierungsrätlichen Botschaft «4plus5». Wir – Spitäler und Verwaltungsrat – wissen aktuell auch (noch) nicht, was im weiterführenden politisch-demokratischen Entscheidungsprozess 2020 letztlich entschieden wird.

Es wird auch in diesem Kontext noch verschiedentlich Kritiker und Zweifler geben in der Beurteilung und Einschätzung der empfohlenen Strategie- und Strukturweiterentwicklung. Ich persönlich bin aber zuversichtlich, dass auch die Politik die Zeichen der Zeit und damit den dringlichen Handlungsbedarf erkennen wird. Sie muss letztlich in verpflichtender Wahrnehmung ihrer Verantwortung die dringliche Weichenstellung vornehmen, die erfolgreich folgenden übergeordneten Zielsetzungen gerecht werden muss:

  • die Sicherstellung einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Gesundheitsversorgung im Kanton St.Gallen;
  • die Aufrechterhaltung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit der einzelnen Spitalverbunde und der Gruppe aller vier Verbunde;
  • die Sicherstellung des mittel- bis langfristigen finanziellen Erfolges aller Spitalverbunde und
  • die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen.

«Warten auf Godot?» – nein, der aktuelle Entscheidungsprozess darf für die Bevölkerung des Kantons St.Gallen nicht zu einem vergeblichen Warten werden auf eine Gesundheitsversorgung, die den aktuellen Entwicklungen gerecht wird und auch in Zukunft eine sichere und qualitativ gute Versorgung sicherstellen kann. Der amerikanische Rechtsprofessor und Experte für erfolgreiche Gesundheitspolitik Lawrence O. Gostin formuliert sehr richtig: «Die Goldene Regel des Gesundheitswesens ist, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.» Mit einer Neuorientierung der St.Galler Gesundheitsversorgung kann dieser Regel nachgelebt werden.

Im Namen des Verwaltungsrates danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der vier Spitalverbunde für den täglichen grossartigen Einsatz in der Betreuung der ihnen anvertrauten und zugewiesenen Patientinnen und Patienten. Dem Kader und den Geschäftsleitungen gilt die besonders hohe Wertschätzung für das zusätzliche grosse Engagement in der Strategie- und Strukturweiterentwicklung. Wir sind uns alle bewusst, dass die aktuell noch unsichere Zukunft der St.Galler Spitalwelt eine enorme Belastung bedeutet – für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für Patientinnen und Patienten sowie für die niedergelassene und zuweisende Ärzteschaft. Der Verwaltungsrat bittet dennoch alle um Verständnis und betriebliche Loyalität bis zum Prozessstart in die neue Versorgungsstruktur.

Ich wünsche allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein unverändert gutes Gelingen und inspirierende Entfaltung ihrer Kompetenzen im Spitalalltag. Hoffen wir, dass die Strategie- und Strukturweiterentwicklung von Erfolg gekrönt sein wird. Zentral für diesen Wandel sind drei Erfolgsgaranten: Realitätssinn für aktuelle Herausforderungen, Offenheit für neue Prozesse und Angebote und Gestaltungswillen, um im verfügbaren Handlungsspielraum die Zukunft aktiv, fokussiert sowie mit transparenter und objektiver Argumentation zu gestalten.

Verwaltungsrat 2019

Für weitere Informationen klicken Sie hier

Felix H. Sennhauser,
Prof. Dr. med. em.
VR-Präsident, ehem. ärztlicher Direktor Universitäts-Kinderklinik Zürich, St.Gallen
Bruno Urban Glaus,
Dr. oec. HSG
1. Vize-Präsident, geschäftsführender Partner und Inhaber von Seestatt Consulting & Interim Management AG, Sevelen
Leodegar Kaufmann,
Dr. oec. HSG
2. Vize-Präsident und Vorsitzender Finanzausschuss, Mitinhaber und Partner INSPECTA Treuhand AG, Abtwil
Martin Würmli,
lic. iur. HSG
Vorsitzender Personalausschuss, Rechtsanwalt, Zug
Küngolt Bietenhard, 
Dr. med.
Fachärztin FMH für Allgemeine Innere Medizin, Sax
Yvonne Biri Massler
Ehem. Pflegedirektorin, Bözberg
Walter Kohler
Wirtschaftsmediator SGO, Hondrich
Andrea Hornstein
MAS FHO in Management, Geschäftsleiterin Spitex St.Gallen-Ost, St.Gallen
Peter Altherr,
mag. oec. HSG
GD-Vertreter, Leiter Amt für Gesundheitsversorgung, Gesundheitsdepartement Kanton St.Gallen, St.Gallen
Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung Editorial
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